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von Agnes Streissler-Führer

„Mindestens 40 Prozent aller Jobs werden wegfallen“ – so verkürzt werden häufig die Auswirkungen der Digitalisierung zusammengefasst, in missverständlicher Zitierung einer weit verbreiteten, methodisch eher zweifelhaften Studie der beiden Ökonomen Osborne und Frey. Technologie hat immer dazu geführt, dass Tätigkeiten durch Maschinen ersetzt werden (Schmiede durch Dampfhämmer, Kutscher durch Lokomotivführer, Laternenanzünder durch Glühbirnen). Wir brauchen nur bei klassischen Bürojobs 25 Jahre zurückdenken und wissen, dass mindestens die Hälfte der Tätigkeiten, die wir damals machten, weggefallen sind (Diktate, Hektografieren, händische Listen und Manuskripte, Karteikästen befüllen und verwalten, …). Ist deswegen insgesamt die Arbeit weniger geworden? Wohl kaum, im Gegenteil – wir haben alle den Eindruck, der auch durch sozialmedizinische Studien bestätigt wird, dass die Arbeit laufend intensiver und mehr wird. Wir können heute überall und jederzeit arbeiten (daher werden auch diese Zeilen während einer Autofahrt geschrieben – vom Beifahrersitz aus, selbstverständlich! – , während wir im Abendstau stehen). Wir sind online und die Grenzen zwischen Arbeits- und Freizeit verschwimmen immer mehr. Für manche Menschen stellt das einen Zugewinn an eigenem Gestaltungsspielraum dar, für andere führt es unweigerlich zu Überlastung und Burnout.

Parallel zu dieser Entgrenzung von Arbeit nimmt auch die Prekarisierung zu: Es gibt immer mehr Arbeitsplätze, die befristet sind, die – wie im Fall von Crowd Work – gar nicht mehr an einen Unternehmenskontext gebunden sind, die nicht mehr die einkommensmäßige, sozial- und arbeitsrechtliche Absicherung eines Normalarbeitsverhältnisses bieten.

Es ist daher kein Wunder, dass die Furcht vor Arbeitslosigkeit und vor Arbeit, von der man nicht leben kann, dazu führt, dass die Digitalisierung von vielen insgesamt abgelehnt oder mit großer Sorge betrachtet wird. Wir werden nur die technologische Entwicklung nicht aufhalten können und wir dürfen bei all den Sorgen nicht übersehen, wie viele Vorteile die Digitalisierung auch bringt: Medizinische Prognosen werden genauer und treffsicherer, ergonomisch belastende Arbeitsplätze können mit Hilfe von Robotik gesünder gemacht werden, wir haben die Möglichkeit überall und jederzeit Wissen und Informationen zu beziehen, wir sind in Notfällen leichter erreichbar, …

Statt also einseitig zu versuchen Modernisierung und Fortschritt zu verhindern, sollte viel genauer auf Konsequenzen und Begleiterscheinungen geachtet werden und sauber getrennt werden zwischen technologischen Entwicklungen und den daraus abgeleiteten Geschäftsmodellen. Denn es ist keine technologische Notwendigkeit, dass beispielsweise Arbeiten, die über eine Internet-Plattform vermittelt werden, prekär sein müssen und keine ausreichende arbeitsrechtliche Absicherung haben. Und es ist auch nicht notwendig und folgerichtig, dass jedes Geschäftsmodell, das in einer Wirtschaftsregion (etwa den USA) erfolgreich ist, auch für alle anderen passt. Im Gegenteil: Gerade Europa, das in den vergangenen 50 Jahren versucht hat, ein eigenes Wirtschaftsmodell zu entwickeln, das auf Inklusion und Nachhaltigkeit beruht, sollte auch versuchen, den digitalen Wandel in diesem Sinn zu gestalten. Die Digitalisierung kann dann erfolgreich sein, wenn es gelingt, dass ihr materieller und immaterieller Nutzen möglichst allen zugutekommt. Keinesfalls darf technologischer Fortschritt zu gesellschaftspolitischem Rückschritt führen.

Damit die Vorteile fair auf alle verteilt werden, braucht es sehr vielfältige Maßnahmen. Die drei wichtigsten Maßnahmen sind folgende: Zunächst einmal muss es darum gehen, die Beschäftigungsfähigkeit der Menschen zu erhalten – Qualifizierungen müssen umfassend und so rechtzeitig erfolgen, dass es nicht erst zu Arbeitslosigkeit kommen darf. Dann wird es mittelfristig zu einer Arbeitszeitverkürzung (mit Lohn- und Personalausgleich) kommen müssen, einerseits um das Risiko allfälliger Arbeitslosigkeit zu verringern, vor allem aber um die Arbeitswelt zu entschleunigen und gesünder zu machen. Und schließlich geht es nicht an, dass Unternehmen, deren Geschäftsmodelle vor allem virtuell in der digitalen Welt erfolgen, sich ihrer Steuerverpflichtung gegenüber der Allgemeinheit entziehen: Wer in einem Land wirtschaftlich aktiv ist (sei es gegen Geld oder sei es zum Zweck der – wirtschaftlich verwendbaren – Datensammlung), ist dort auch steuerpflichtig. Das Europäische Wirtschaftsmodell basiert auf einem Sozialsystem, das Chancengleichheit ermöglichen soll. Dieses System darf nicht durch die Digitalisierung unterlaufen werden, vielmehr sollte es im Sinne von Inklusion und Nachhaltigkeit zu einem Europäischen Gesellschaftsmodell 4.0 weiterentwickelt werden.


über die Autorin

Agnes Streissler-Führer  ist seit 2017 Mitglied der Bundesgeschäftsführung der GPA-djp, zuständig für Digitalisierung, zuvor war sie Geschäftsführerin und Inhaberin einer wirtschaftspolitischen Beratungsagentur.

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